13 Juli 2008

Playmobil Geschichten

So vertrieb ich mir als kleiner Junge die Zeit:

Mittelalterliches Stadtleben am Kinderzimmerschreibtisch, die Angst vor Freunden, die auch spielen wollten und ständig das leidige Thema "Krieg" wählten. Und dann der gemeinsame Wiederaufbau, bei dem sogar die Piraten mithalfen, indem sie Zinnen per Schiff lieferten, und die Königsfamilie für den Renovierungszeitraum auf ihrer Insel leben durfte. Wodurch jedoch der eigentliche Mieter, der längst domestizierte Robin Hood und seine Angetraute Maryann samt Kindern, in den Wald ziehen mussten, wo der mittlerweile vom Alkohol schwer gezeichnete Bruder Tuck eine Spelunke samt Restaurant und Bordell führte.
Und schlussendlich die große Frage: Was zum Teufel soll ich mit diesem Rennwagen anfangen? Danke, Michael J. Fox, du hast mein Universum gerettet, denn plötzlich hatte ich einen Zeitmaschine, die unter großem Staunen des urbanen Bürgertums inmitten des Marktplatzes landete und wenige Zeit später mitsamt der Prinzessin wieder verschwand.
Wirklich Schuldige wurden nicht gefunden, doch um den Hunger des Volkes nach Blut zu löschen, wurden drei Vagabunden den Löwen vor dem Stadttor vorgeworfen, die, wie es der Zufall so wollte, gerade zur richtigen Zeit in Richtung Savanne unterwegs waren, und sich auf einen kleinen Imbiss einigen konnten. Jaja, es passierte viel in der Stadt, und der König erfuhr nie etwas von den finsteren Machenschaften seiner Gattin, die im Keller des royalen Fachwerkbauhauses ein zweifelhaftes Etablissement betrieb, in dem Lady Maryann kellnerte, da durch die Domestizierung ihres Gatten die einzige Einnahmequelle hinfällig wurde, und er zu trinken begann, was wiederum seinen alten Freund Bruder Tuck sehr verzückte, da das hart erarbeitete Geld von Lady Maryann postwendend in seine übergroßen Taschen floss. Ein Wirtschaftskreislauf bei dem schon damals letztendlich die Kirche das große Geschäft machte.
Dankenswerterweise entdeckten die Piraten in der Zwischenzeit Vinland, und brachten ein paar zu meinem Geburtstag erschienene Indianer mit, die sogleich den Mist der Löwen wegzuräumen hatten, die sich vor den Toren sesshaft gemacht hatten, da der König immer mehr Gefallen an der Unterhaltungssparte "Hinrichtung" fand.
Doch Dank einer napoleonischen Leibgarde waren die Tore wieder sicher und die Indianer gingen, da sie nun arbeitslos und ohne Hoffnung waren, zu Bruder Tuck und Robin Hood in den Wald, wo sie begannen, dem Feuerwasser zu frönen, während Lady Maryann von Tag zu Tag zu Tag mehr schuften musste, um den enormen Alkoholkonsum ihres Mannes zu finanzieren. Letztendlich musste sie sogar ihren Körper verkaufen, und das an den König, was deshalb eher grotesk war, da er ja nichts über den Nebenberuf seiner Gattin wusste. Als er davon erfuhr, bekamen die Löwen wieder etwas zu essen, und die große Frage kam auf: Wer wird die neue Königin? Die erste war tot, Lady Maryann pleite (außerdem hatte sie einen zwar mittlerweile schwindsüchtigen aber dennoch im Bogenschuss noch sehr versierten Gatten).
Wie es der Zufall so wollte erschien aber eines Tages wieder die Zeitmaschine in der Stadt, mitsamt der hübschen Prinzessin, die in der Zwischenzeit eine Modebotique in New York leitete, und erwachsen geworden war. Der König musste handeln, schließlich fehlte dem großen und zerbrechlichen Reich eine Königin. So ehelichte er seine eigene Tochter. Doch die Ehe blieb leider kinderlos, und so musste der König ein Indianerkind adoptieren, das mittlerweile das erste Alkoholikerkind der Geschichte geworden war.
Die Zeiten wurden härter, die Wirtschaft stagnierte, und Bruder Tuck wurde immer reicher. Alles schien den Bach hinunter zu gehn, und als alle schon auf einen Börsenkollaps warteten (das ehemalige Bordell der Königin war mittlerweile zu einem Haus des Geldes umfunktioniert worden, das von Bruder Tuck finanziert und von seinen Saufkumpanen Robin und "tanzende Feder" geleitet wurde) kam das Unfassbare.
Der Kaiser, ein entfernter Verwandter des Königs und der Uniform nach Preuße, schickte Boten aus, um für einen Krieg zu rüsten. Der König packte die Chance und entriss das Volk aus seiner Depression, indem er ein 50 Mann starkes Heer rüsten konnte, das dem Kaiser zur Hilfe eilte. Im allgemeinen Kriegstaumel erwachte sogar Robin Hood seinen alten Kampfgeist wieder, nachdem er von "Tanzende Feder" die Kunst des Skalpierens erlernt hatte, was dazu führte, dass viele Bewohner ohne Haar und mit einem großen Loch im Kopf den Wald verunreinigten.
So zogen sie von dannen, die Helden der Stadt. Aber nur wenige kamen zurück, denn der Krieg im fernen Preußen war nicht dieser Abenteuerausflug, den sich alle erwartet hatten. In der Zwischenzeit hatten die Piraten die Herrschaft über die Stadt übernommen und logierten in einem auf Sand gelaufenen Piratenschiff, während der König bei Bruder Tuck Zuflucht fand und von diesem Zeitpunkt an die verschimmelten Weinfässer reinigen musste.

25 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

genial

Anonym hat gesagt…

Fuck Playmobil - Yeah Lego!

grr hat gesagt…

@ anonym: bitte nicht so gönnerhaft

Anonym hat gesagt…

@ grr: Sorry, aber das ist eine Grundsatzfrage, da kann man einfach keine Kompromisse eingehen.

grr hat gesagt…

okay, hast recht. Friedliche Koexistenz?

Anonym hat gesagt…

In Ordnung, Entspannungspolitik wie derzeit zwischen China und Taiwan. Dennoch, bei Playmobil habe ich irgendwie den Eindruck, dass eine Lego-Produktion daneben gegangen ist und zuviele Steine, die eigentlich getrennt sein sollten, zusammenkleben.

grr hat gesagt…

nicht der entstehungsprozess, sondern die anwendung steht im vordergrund.

Anonym hat gesagt…

Aber die Anwendung ist abhängig vom Entstehungsprozess.

grr hat gesagt…

Nur bedingt. Entweder man baut etwas so, wie man es später anwenden will, oder man wendet etwas in mannigfaltigen möglichkeiten an, was bereits zuvor gebaut wurde. Wer Playmobil spielt, dem ist Dramaturgie wichtiger als Konstruktion. Schließlich sind die Figuren viel kreativer adaptierbar als die kleinen Lego-Mantschgerl.

Anonym hat gesagt…

Kleine Lego-Mantschgerl? Der Zorn der Götter möge dich treffen! Offenbar besteht doch kein Interesse an friedlicher Koexistenz?! Die Formulierung "Wer Playmobil spielt, dem ist Dramaturgie wichtiger als Konstruktion" ist jedoch ein interessanter Ansatz, da er die grundsätzlichen Überlegungen beider Systeme gut beschreibt. Allerdings gibt es bei Lego auch Abweichungen, die bei Playmobil nur sehr eingeschränkt möglich sind. So habe ich als Kind des öfteren ein zuvor sorgfältig konstruiertes Piratenschiff in beeindruckende aber zugleich auch verlustreiche Schlachten geschickt - Dramaturgie und Konstruktion (Wiederaufbau) bildeten somit eine Einheit.

grr hat gesagt…

Nur sind die Playmobilfiguren schlichtweg größer und stärker adaptierbar. Vielleicht ist ja auch das der große Unterschied. Des Legos Schwerpunkt liegt in Gebäuden, Fahrzeugen und Konstruktionen an sich. Beim Playmobil steht der Mensch im Mittelpunkt.

Anonym hat gesagt…

Angesichts deiner Lust an der Adaption von Figuren dürftest du auch an den "Transformers" deine Freude (gehabt) haben, wenngleich hier, bedingt durch den Ursprung in der Serie, Gewalt, Zerstörung und Krieg überproportional stark im Mittelpunkt stehen, ein Umstand, der auch deutlich in der Konstruktion zum Ausdruck kommt. "Beim Playmobil steht der Mensch im Mittelpunkt" - somit ist Lego der Zeitvertreib von Atheisten und Playmobil jener von gläubigen Menschen, mit diesem Kompromiss kann ich leben.

Anonym hat gesagt…

KORREKTUR! Ich habe die Chronologie der Entstehung falsch dargestellt: "Um den Verkauf der Figuren zu fördern, gibt es seit 1984 passende Zeichentrickserien im Fernsehen." [ http://de.wikipedia.org/wiki/Transformers ]

grr hat gesagt…

"Der Mensch steht im Mittelpunkt" könnte man genausogut als aufklärerische Manifestation gegen die Theokratie deuten. Was am Lego atheistischer ist als beim Playmobil, musst du mir genauer erörtern, bitte.

Anonym hat gesagt…

"Der Mensch steht im Mittelpunkt" erinnert mich, vermutlich auch bedingt durch die derzeitige mediale Inszenierung des Papstes, an das Geschwätz von Geistlichen im Hinblick auf Nächstenliebe, was eigentlich jedoch Ausdruck eines naiven Aufbegehrens gegen gesellschaftliche Veränderungen ist. Allerdings ist das ein persönlicher Zugang und natürlich kann man sich der von dir angeführten und auch logischeren Deutung anschließen. Letztendlich ist die [ provokative ] These aber vermutlich lediglich Ergebnis meiner arroganten Haltung gegenüber den "Playmobil-Mantschgerl".

grr hat gesagt…

Arroganz und Kinderspielzeug. Eine viel zu unbeachtete Allianz. S'isch Zeit, Mantschgerlen.

Anonym hat gesagt…

- file "Lego vs. Playmobil" closed -

grr hat gesagt…

korrekt

Anonym hat gesagt…

Korrekt - man kann schließlich nicht oft genug die Überlegenheit von Lego betonen.

grr hat gesagt…

...ohne dabei von der playmobil'schen stahlkraft geblendet zu werden

Anonym hat gesagt…

Um das Reich der Wahnvorstellungen wieder zu verlassen, eine Klarstellung: Die beiden Denkschulen verhalten sich zueinander wie Sonne und Mond, während Lego strahlt, kann Playmobil lediglich reflektieren.

grr hat gesagt…

allerdings würde man die kleinen Lego-Projektionen am gigantischen Playmobil-Trabanten gar nicht erkennen.

Anonym hat gesagt…

Um es mit den Worten von Basil Fawlty zu sagen: You dirty bastard! Die Größe ist ohnehin nicht entscheidend, sondern die einzigartige Konstruktion und das Design. Zudem sind jene, die sich mit Lego auseinandersetzen, bereits dem Alter entwachsen, in dem sie sich unkontrolliert Dinge in den Mund stecken - das ist vermutlich der Grund, warum Playmobil so ordinär groß ist, die Kleinen sollen sich schließlich nicht verschlucken.

Unknown hat gesagt…
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Subfraut hat gesagt…

Späte Reactio: Ich bin seinerzeit schnell von Playmobil zu den MASTERS OF THE UNIVERSE gewechselt ... ;-) für JAHRE!!
Und ich werde meiner Mutter nie verzeihen, dass sie die Figuren, von der gut verpackten und gesicherten Kiste am Dachboden an irgendwelche abstruse Typen (Caritas, Heilsarmee) abgegeben hat... SKANDALÖS!!