So ganz medienadäquat ist diese Nachbetrachtung ja kaum. Erstens habe ich geplant, jeden Tag, live quasi, zu berichten. Dies war aufgrund mangelnder Konnektivität allerdings nicht möglich. Außerdem wollte ich mein Sorgenkind Acer Aspire nicht dauernd rumschleppen. Das zweite Versäumnis ist eine passende visuelle Untermalung. Fotos hab ich zwar ordentlich gemacht, aber ich kann mein Verbindungskabel auf Gedeih und Verderben nicht finden. Dabei würde das ein so herrliches StudiVZ-Album abgeben. Aber was nicht sein will, eh scho wissen.
Also dann.
Von 27. bis 30. Juni war ich im Rahmen der European Youth Media Days in der so genannten europäischen Hauptstadt Brüssel. Eine doch recht hässliche Stadt. Aber davon später. Nach drei unschuldigen Stunden Schlaf machte ich mich auf, um den Sky-Europe-Flug um 6.50 zu erwischen. Furchtbar. Im Flughafen-Inneren hatte kein Lokal geöffnet. Also keinen Kaffee. Nur Zigarette um Zigarette im heimeligen Raucherglaskäfig. Hindösend und die Morgenstunden verfluchend wartete ich. Im Hintergrund vernahm ich junge Stimmen, die die Tags "Brüssel", "Medien" und "du auch?" inflationär verwendeten. Aber ich war zu müde zum Socializing. Wurscht. Den ganzen Flug verpennt.
Ankunft in Brüssel. Interessanterweise im Stadtmarketing das "Heart of Europe" genannt. Dabei kam ich doch gerade von dort. Bypass? Mit dem Zug in die Stadt. Gare Central. Der hässlichste Bahnhof, der mir je unter die Augen kam. Und dabei war ich schon in Santa Clara und Bruck an der Mur! Die Unterlagen sagten, zur Station "Comte de Flandre" fahren, und dann "follow the signs". Keine Signs ersichtlich. Umherirren. Signs entdeckt. Müdigkeit. Youth Hostel "Generation d'Europe" entdeckt. Katja, die bisweilen herzlich Englisch sprach, wies uns darauf hin, dass die Zimmer erst ab ca. halb drei zu beziehen sind. Also eh schon in fünf Stunden. Sitzend schlafen. Essen mit den Menschen, die auch da waren. Zwei Deutsche, eine Litauerin (?) ein Maltese (!) und ein Schwede der klang wie ein Engländer. (So wie alle anderen Schweden auf diesem Ereignis übrigens auch). Zimmer endlich bezogen. Acht Betten. Keine Zeit zum Schlafen. Auf ins Parlament. "Hurry up!" Nicht das letzte Mal, dass ich diese unsägliche Phrase ins Gesicht gedroschen bekam.
Im Parlament Julian getroffen. Ohne Erlaubnis fotografiert. Das dafür dauernd. Kennenlern-Spielchen waren nun angesagt. Erste unkritische Grundstimmung erkennbar. Es war ein Fragebogen gemeinsam auszufüllen.
Frage: "Where does Europe start, where does it and?"
Meine Antwort: "Poland"
Das kam dann nicht so gut an. Ich hatte dummerweise "Holland" verstanden, als sich mein Gruppenmitglied Anna vorstellte. Leider war der erste Buchstabe doch anders.
Es begann die offizielle Eröffnung. Parlamentspräsidenten, Organisatoren (fast ausschließlich Deutsche), und interessante Auslandskorrespondenten. Ehrlich gesagt, waren das die einzig wirklich interessanten Speaker. Denn wie komm ich dazu, dafür zu sorgen, die EU in ein besseres Licht zu rücken. Das ist definitiv nicht mein Job. Und mitdiskutieren war sowieso nicht drin. Dafür aber große Müdigkeit. Die Kantine des Parlaments ist übrigens unverschämt billig. Soviel zu meinen Steuergeldern...
Versorgt mit einem Fresspaket auf in die Landesvertretung Baden-Würtemberg. (Übrigens teilen sich in Brüssel Nord- und Südtirol ein Repräsentationshaus. Together at last?) Komische Olé-Schrei-Choreographien. Gratis Sekt, Brezen und Rothaus-Bier. Eigentlich wollte ich nur eines trinken. Es wurden mehr. Eine easy-listening-Jazzfraktion enttäuschte nicht. Alle paar Sekunden wurde mein Namensschild gepackt. Ich tat das selbe bei fast jedem, der mir begegnete. Mit Alexander, einem deutsch-Bulgaren schuf ich das Konzept der Social-Smoking-Partnership. Er hielt sich in den folgenden Tagen jedoch kaum dran. Ich war langsam ordentlich besoffen. Aber nicht so, dass ich nicht todmüde geworden wäre. Schade eigentlich, denn am späteren Abend kam noch die Polizei. Einmal in die Depandance des deutschen Bundeslandes, ein anderes Mal in eines der Hotels, wo wir wohnten. Ein besoffener Finne konnte es nicht lassen, einer weiblichen Teilnehmerin mit dem Ellbogen ins Gesicht zu dreschen. Er flog aus Hotel und Konferenz. Die Finnen.
Endlich Schlaf. Um fünf Uhr geht der Wecker. Welcher Idiot das auch immer war, um 6.15 scheuchte er uns aus dem Bett. Ich will jetzt ja nicht Kapo schreiben, deshalb tu ich's auch nicht.
Katja hätte es sicher gefallen. Das Frühstück war erwartbar. Immerhin Melange. Nachdem wir um sieben weg mussten, um ja um acht im Parlament zu sein, warteten wir dort eine Stunde bis es losging. "Organisation Merde" kam mir da gar in den Sinn. Wieder ein Panel. Diesmal mit Vertretern aller Fraktionen im Parlament. Nur nicht mit den Rechten. Schade eigentlich. Swoboda war gut. Ansonsten war ich eher müde. Dafür gab es einen Butler, der allen Kaffee einschenkte. Nur nicht der spanischen Script-Schreiberin hinter mir, die sich darüber noch oftmals beschweren sollte. Dann die erste Gruppenteilung. Zu Fuß in den Council. Ein interessanter Vortrag über europäische Außenpolitik. Die Frage nach der österreichischen Realität wurde mit einem zaghaften Lächeln abgetan. Mittagessen in der Besucherkantine. Manche der Verantwortlichen sollen sich ja vorgedrängt haben. Pah! (Du nicht, Marijana. Du warst super!)
Am Nachmittag die erste Workshop-Besprechung. Es hatte keiner eine Ahnung. Wir wurden instruiert. Ein paar Stunden Zeit um ein 16-seitige Ausgabe der Zeitschrift workout herzustellen. Themenverteilung. Der Vorschlag einer Umfrage mit dem Inhalt "Was bedeutet Europa für Sie" wurde zum Glück abgeschmettert. Ich meldete mich für eine Geschichte über das Atomium an. Das wollte ich sowieso immer schon mal betreten. Perfekt an sich.
Das Abendpanel hab ich geschwanzt, dafür aber fast das Buffet verpasst. Unfassbar! Gefüllte Baguettes mit allerlei und wieder Sekt. Danach ging es in Gruppen (!) in die Altstadt. Das unmögliche Unterfangen entlarvte sich sehr schnell, als wir österreichische Teilfraktion (Julian, Marijana, Anna, Carina und eine deutsche Jung-Liberale) partout sitzen bleiben wollten um endlich Bier zu trinken. (Und das mit dem pinken Mädchen-Bier fand ich wirklich nicht so tragisch) So ging es dann weiter. Schließlich tauchte auch noch der wahnsinnige Ungar auf. Wir gingen zu Fuß nach Hause. Übrigens war die Herberge im von vielen als Ghetto bezeichneten Teil der Stadt. Die waren halt noch nicht am Gries und können den Charme eines solchen Viertels nicht verstehen. Wieder kurzer Schlaf.
Irgendwann in den frühen Morgenstunden ein Geräusch. Gedacht als Wecker glich es eher einem Hinweis auf einen Bombenangriff. Alle waren wach und angepisst. Nur nicht der Urheber. (Also eher der Besitzer, aber was sind das schon für Begriffe. Mehr darüber gibt's hier) Frühstück ähnlich wie am Vortag. Das Gleiche eigentlich. Selbstorganisiert zum Atomium aufgebrochen. Zu spät angekommen. Schwarz gefahren. Meinen polnischen Kollegen warten lassen. Entschuldigung nochmals. Wir trafen uns schließlich um 3/4 neun. Das Atomium öffnet um zehn. Super. Auf die Suche nach Kaffee. Alles geschlossen. Ein tristes Viertel. Heysel-Stadion und so. Was sich drinnen so abspielte und was ich mir dabei so dachte, erscheint nächste Woche im Workout und wird dann natürlich hier gepostet. Aber Dopplungen werden vermieden. Deshalb Zeitsprung.
Es hieß ja, wir sollten bis zwei Uhr mit unseren Texten fertig sein. Das war ich auch. Die anderen nicht. Ich ging mit der seltsamen Estin essen (lautmalerisch bedenklich) und kam zurück, als alle noch an ihren Artikeln saßen. Meiner hätte durchaus noch Zeit gebraucht, gab ich ihm aber nicht. Immerhin. Nach ordentlicher Zeitverzögerung begann der Workshopleiter mit dem Layout. Um sieben soll er fertig gewesen sein. Dann ranzte das InDesign ab. Um Mitternacht war er dann endgültig fertig.
Wir hingegen machten uns auf den Weg ins Brüsseler Rathaus. Das steht übrigens am Grande Place, einer der wenigen schnuckeligen Orte der Stadt. Irgendwo hier soll Marx übrigens das Kapital geschrieben haben. Im Rathaus kam dann doch nicht der angekündigte Bürgermeister, sondern eine seiner Assistentinen. Eine Frau zum Verlieben. Um die 50, völlig benebelt, grinsend und schmachtend. Einfach herrlich. Wer auch immer sie ist, ich vergöttere sie. Danach begann die kleine Selbstbeweihräucherung der Organisatoren. Ich versteh das ja. Total. Keine Frage. Aber trotzdem. Sowas hat jeder schon mal gemacht. Klar. Naja.
Wieder Sekt und fancy Häppchen, die in großer Menge eingenommen durchaus füllend waren. Im leicht trunkenen Zustand gingen wir zurück ins Hostel, um dort noch ein paar "Jupiler" zu trinken. Manche begannen zu schwächeln. Mit Julian und anderen ging es dann irgendwann auf die Abschlussparty in Ric's Art-Boat. Was für ein Name. Zwei Boote, eines mit leichtem Minimal-House bis Timberlake, im anderen Discoknaller. Erstmals mussten wir alles selbst bezahlen. Ein anderer Finne (also nicht der Ellbogen-Wüstling) erzählte mir von seinen Sprachproblemen, Alkoholexzessen und dem Selbstmord seines Onkels. Dieser hatte sich eine Schlinge um den Hals gelegt und dann den Körper mit den Füßen von einem Ofen weg gepresst. Aha. Marijana meinte, ich müsse gerettet werden, Julian übernahm den undankbaren Part. War eh nicht so schlimm, aber schon besser so. Tanzen war nicht so drin. Zu wenig deep. (Wie gönnerhaft ich mich winde!) Bier um Bier beschlossen wir, auf das Schlafen gänzlich zu verzichten. Julian beeindruckte durch kontrolliertes Power Napping. Ich konnte mich einfach nicht in den Socializing-Wahnsinn einklinken. Dummerweise hatte ich nicht mal Stift und Papier dabei. Mal schaun, ob mir die wirklich alle ein mail schreiben. Irgendwann wechselten wir ins Disco-Boot. Almrauschatmosphäre. Art-Boat halt. Wage Tanzversuche. Irgendwann wechselte die Musik in James-Brown-Manier und ich in den Schlafmodus. Aufgeweckt von meinem Workshopleiter, der mir einen Rum mit Limette in die Hand drückte. Ich hatte gewürgt und gekämpft. Angestachelt von ständigen "Mann oder Mädchen?" tat ich mein Bestes. Es war hell geworden. Wir gingen heim.
Zuvor versuchten wir jedoch mit List und Tücke noch ein Zeichen zu hinterlassen. Nachdem es uns einfach nicht gelingen wollte, das Boot loszumachen (zu viele Taue) machten wir uns daran, das Eingangstor mit Klopapier zu verschließen. Wenn diese betrunkenen Jungjournalisten nicht gekommen wären, hätte das wohl ordentlich Panik ausgelöst. Begleitet vom maltesischen Fernsehreporter und seinem gegröhlten "It's allready morning" kämpften wir Meter um Meter gegen ein Schiff namens Emma. Wir gewannen.
Rechtzeitig zum Frühstück angekommen wurden wir Zeugen eines denkwürdigen Eierpeck-Contests zwischen Frankreich und Italien, der mit einem bedenklich weißen Fleck auf der Hose des Franzosen endete. Duschen, umziehen, Abfahrt. Müdigkeit. Hoffung und allerlei. Unsere polnische Begleiterin Richtung Flughafen definierte die Musik des Vorabends/-morgens mit einem gezielten "Plum Plum". Sie hatte wohl ordentlich Recht. Ersten Zug verpasst. Machte aber nichts. 40 Minuten vor Abflug am Check-In. Vor uns eine Österreicherin, die mit sagenhaften 50 Kilo Übergepäck beschäftigt war. Kilometerlang durch die Flughafen-Mall geschliffen. Gate erreicht. Anna und Carina noch nicht da. Flug hatte (Sky halt) 30 Minuten Verspätung. Große Freude auf Schlaf. Keine Chance. Eine Schülergrpuppe in grünen T-Shirts machte den Flug zum Horrortrip. Julian bekam sogar einen Rucksack auf den Kopf. Versöhnlich nur die Stewardessen-Ansage mit slowakischem Akzent: "Meine Damen und Herren. Wir befinden uns im Landeanflug auf Berlin." Alles egal.
Ankunft. Schlaf. Stundenlanger Schlaf.
Fazit: Eine durchaus nette Veranstaltung, der es jedoch an Neuem und Interessanten leicht mangelte. Die Idee eines EU-weiten Netzwerkes junger Journalisten ist durchaus verfolgenswert. Aber wenn dieses Netzwerk von einer politischen Institution ausgeht, sollte man etwas vorsichtig sein. Und die unkritische Grundstimmung machte es unmöglich Sinnvolles anzusprechen und Ungeliebtes zu thematisieren. Was Brüssel betrifft, so ist es nicht viele Reisen wert. Und wenn, dann ja nicht mit SkyEurope.
P.S: Fotos folgen, wenn ich das beschissene Kabel endlich gefunden habe.
01 Juli 2007
European Youth Media Days 2007
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1 Kommentar:
ich danke für die nette zusammenfassung. obwohl ich ja fast alles auch miterlebt habe, war es mir eine herzenslust, das zu lesen. vielen dank!
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